Montag, 11. Februar 2013

Ich fange den Moment



- Fühlst du das?

- Mhm, ich glaube bald gibt es Mittagessen.

- Nein, ich meine es ist so, als würde sich alles bewegen.

- Ja, mhm – meine blitzartige Antwort beendete diese Diskussion.

Im nächsten Moment stellte sich heraus, dass Magda Recht hatte. Irgendwas hatte sich bewegt. Die Erde hatte sich bewegt. Und ich merke das nicht. Ein kleines Beben in dieser Region gibt jedoch bei niemandem den Anlass zu größerer Besorgnis, es wird eher als etwas natürliches angenommen.
Trotzdem habe ich einen Moment der Befriedigung erlebt. Mein erstes Erdbeben – und zwar ohne, dass irgendjemand oder irgendetwas zu Schaden gekommen ist. Damit werde ich oft vor meinen Freunden angeben, ha!

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Die kleine Shirley habe ich inoffiziell zu meinem Liebling bestimmt. Sie hat mich für sich auf die bestmögliche Art und Weise eingenommen – durch einen guten Sprung und einen sicheren Fang. Ich bin eben nur ein Mann und es imponiert mir, wenn eine Frau, wenn auch nur ein kleines Mädchen, in der Sportwelt gut zurecht kommt. Shirley hat sich fest vorgenommen, dass sie zusammen mit mir und den älteren Jungs sich den Ball (eine softe Version eines Rugbyballs) zuwerfen möchte. Wieso eigentlich auch nicht? Schließlich werde ich hier nicht irgendein Kind favorisieren, das ist weder Sinn noch Zweck der Sache.
Der erste Wurf – der Ball fliegt geradewegs in Shirleys Arme hinein. Der ältere Junge neben ihr hatte damit weitaus größere Probleme.

Der nächste Wurf.

Erneut.

Und wieder.

Shirley springt immer wieder auf den Stuhl und fängt jeden auf sie zukommenden Ball. Wenn ich ihn mal in der Hand halte, schreit sie „Pablo, Pablo!“, ich darf ja nur ihr zuwerfen. Nachdem ich das getan habe, erhellt sich ihr Gesicht und ein ehrliches freudiges Lachen von einem Ohr des Schlingels zum anderen, bringt mich dazu vor allem in ihre Richtung zu werfen. Ihr Lächeln sollte man an alle Rechnungen anheften, die wir bekommen – es wäre leichter sie zu ertragen.

Shirley spielt weiter wie verrückt. Was, ich stehe zu dicht an ihr dran? OK, dann gehe ich eben ein Stück zurück. Doch denk daran, dass es um einiges schwieriger sein wird den Ball zu fangen.
Dachte ich.

Chapeau. Sie hat es geschafft den sportlichen Teil meines Herzens zu erobern.
Es wäre wunderbar eines Tages zu erfahren, dass sie es geschafft hat Karriere im sportlichen Bereich zu machen – das Mädchen hat wirklich Potenzial!

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Edwin ist mir vielleicht einer. Vielleicht ein wenig schüchtern anfangs, doch seit meiner Ankunft hat ihn irgendwas in meine Richtung gezogen – als hätte ich sein Vertrauen gewonnen. Das ist ein Kerl mit Niveau. Er drängt sich niemandem auf, sondern bevorzugt es von Weitem zu beobachten und erst dann aus seinem Versteck hervor zu kriechen, wenn man ihm zulächelt. Und dann kann er endlich das tun, womit unsere Freundschaft angefangen hat. Ein simples „High Five“. Natürlich mit einem Grinsen von Ohr zu Ohr, dennoch mit dieser Schüchternheit, die ich anfangs beschrieb.
Er schafft es alle paar Minuten so auf mich zu zukommen – einfach nur, um einzuschlagen. Doch das stört überhaupt nicht Er ist großartig. Er achtet auch darauf, dass wir am Ästhetischen arbeiten und versucht immer wieder auf neue Weisen einzuschlagen.



                                                  


Außerdem hilft er mir oft, wenn er sieht, dass ich müde bin und momentan keine Kraft habe weiter zu arbeiten. In diesen Momenten starrt er mich mit seinen klugen Augen an, gibt mir einen Daumen mit dem Zeichen „ey, Pablo, das ist ok!“. Wenn er das sagt, werde ich mich nicht mit ihm streiten. Er lächelt freundlich dabei und wartet so lange, bis ich ihm das gleiche Zeichen zurückgebe. Was also bleibt mir anderes übrig, als mich zu revanchieren und es ihm gleichzutun?

Nach dem, was in der Stiftung so los ist, geht jeder seines Weges. Manchmal treffen sie aufeinander. In diesem Fall erfolgt ein Austausch von „High Fives“ und Daumen-nach-oben.
Als ich bei ihm zu Hause war und wir einen kurzen Moment Zeit hatten, habe ich ihm einen Trick mit den Fingern gezeigt. Er war überirdisch beschäftigt mit dieser Aufgabe und nach einigen Versuchen hat er geschafft diese erfolgreich auszuführen. Einige Stunden später trafen wir in der Stiftung aufeinander. Was glaubt ihr hat Edwin wohl als erstes gemacht? Bravo, ihr seid kluge Leser. Ja, genau den Trick mit den Fingern. Er ist zwar ein wenig schief gegangen, doch ich habe größten Respekt ihm gegenüber, dass er es überhaupt versucht und sich noch daran erinnert hat.
Das ist schon ein cooler Typ dieser Edwin, oder?!

Paweł

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