Donnerstag, 31. Januar 2013

Wölfe fressen keine Schäfchen Gottes


Gemeinsam mit den Freiwilligen Monika und Magda sind wir nach San José de Raranga gefahren, wo sich der zweite Niederlassungsort der Stiftung befindet, um die Volontäre aus der Tschechischen Republik zu verabschieden und ihre pflichten zu übernehmen. Aus diesem Grund haben die Einwohner des Ortes ein Agerfeuer vorbereitet : Sowohl als Abschied für Anezka und Patrik als auch zu unserer Begrüßung.
Während das Lagerfeuers haben wir mit den Kindern geredet und Verstecken gespielt, anschließend erfanden wir lustige Verdniedlichungsformen unserer Namen: Monchito (von Monika), Magdelito (von Magda), Anielito (von Ana) uvm. Wir haben auch Weihnachtslieder mit Gitarrenbegleitung gesungen.

                                     


Der interessanteste Programmpunkt jedoch war das Gespräch zwischen zwei Mädchen mit Monika. Zwischen all den kulturellen und gesellschaftlichen Unterschieden zeigt sich, dass Kinder auf der ganzen Welt überall gleich sind – unschuldig und vertrauensvoll:



- Die Mädchen (Ana und Daisy): Komm, lass uns Verstecken spielen (es ist bereits Nacht und sehr dunkel)
- Monika: Aber ich habe Angst im Dunkeln.
- die Mädchen (Ana i Daysi): Wieso? Bist du etwa mit dem Teufel?
- Monika: Was? Nein, wieso?
- die Mädchen (Ana i Daysi): Denn nur mit dem Teufel hat man Angst. Und wir sind doch mit Gott, deswegen haben wir keinen Grund Angst zu haben. Außerdem sind wir hier direkt neben der Kirche (das Haus der Pfarrei in dem wir wohnen und wo die Fiesta statt fand ist direkt neben der Kirche) Also brauchst du dich nicht zu ängstigen, da wir nahe bei Gott sind!

Eine andere Situation mit den gleichen Mädchen:
Die Mädchen sagen aus Spaß:
- Gleich kommt der Wolf und frisst uns auf!
Monika antwortet:
- Ach Quatsch, keine Angst. Wölfe fressen nur Schafe und wir sind doch keine Schafe. 
Daraufhin die beiden mit sehr ernstem Gesichtsausdruck:
- Wie meinst du das? Wir sind doch alle Schafe Gottes!

                                                                                                                                            Inés

Drei große Orangen zu Allerseelen


1. November – Allerheiligen. Generell ist dieses Fest in jedem Kalender notiert, doch wird es in Ecuador nicht großartig gefeiert. Eigentlich sollte man eher sagen, dass man überhaupt nicht feiert. Anscheinend gehen die Ecuadorianer davon aus, dass die Heiligen es irgendwie alleine schaffen und unsere Hilfe nicht benötigen. Evtl. haben sie da ja auch Recht.
2. November – Allerseelen. Die Heilige Messe wird genauso gehalten, wie unter der Woche auch.
Dafür lebt der Friedhof spät abends und nachts...ein riesiger Friedhof, von dem es in Ventanas nur einen gibt...Im Prinzip ein kleines Städtchen, auf dessen Friedhof genau so viele Menschen begraben liegen, wie in ihm wohnen (60.000 Einwohner)....

                                                                     …F…..
                     FI…. 
                                            FIE…
                                   FIES..
                                                             FIEST……
                        
          
FIESTA!!!


  (Liebesäpfel, die auf Ständen vor dem Friedhof verkauft werden)


Wortwörtlich eine Fiesta zur Integration der Beziehung zwischen Toten und Lebenden. Eine Fiesta geschrieben mit einem großes F!
Beim Friedhofseingang sammeln sich so ziemlich alle Händler Ventanas' – Stände mit Kerzen (gewöhnliche weiße Kerzen in zwei verschiedenen Größen), Blumen, Zuckerwatte, Lutschern, Eis am Stiel, Ohrringen, gebratenem Hühnchen, Bananen, Bier, Früchten und allem, was das menschliche Herz begehren könnte oder auch niemals gebrauchen würde. Nebenan fangen Karussells an Musik zu spielen und sich zu drehen, Autoscooter, Riesenräder (sie sind den in Polen und Deutschland sehr ähnlich – nur um einiges kleiner und sehen aus wie aus der Vorkriegszeit).
Aber alles im Rhythmus der hiesigen Schlager.
Es ist schwer den Friedhof einfach nur zu betreten – die ganze Familie sitzt am Grab der Angehörigen, reden, lachen, einige weinen, andere....trinken Bier. Eigentlich trinkt die große Mehrheit Bier.
Zwischen den Grabsteinen steht ein professionelle Anlage mit professionellen Verstärkern – zu hören sind die neuesten Hits. Und damit niemand zweifelt: es handelt sich dabei nicht immer um religiöse Lieder. Denn das wäre ein großer Faux Pas. Immerhin liegen dort Menschen aller möglicher Religionen, Glaubensgemeinschaften Sekten und sonstigem begraben.
Gegen 21 Uhr sitzen viele Männer bereits betrunken auf den Gräbern, sind trotzdem noch bereit ein wenig Spaß zu haben.
Viele Kinder arbeiten an diesem Tag und verkaufen Kerzen. Do tun es auch einige Kinder unserer Stiftung – die ganze Familie Espinoza Herrera handelt auf dem Friedhof mit Kerzen, Blumen und Früchten; an gewöhnlichen Tagen verkaufen sie auch Süßigkeiten und Trinkwasser. Diese Kinder müssen arbeiten, weil es insgesamt 14 Geschwister gibt, selbst die 7-jährige Narcisa verkauft Ware Der Vater ist schwer krank – er hat Krebs, die Mutter wird in einigen Tagen ihr nächstes Kind gebären. Beim Eingangstor treffen wir auf Itter, dem wir einige weiße Kerzen abkaufen. $ 0,50 für ein halbes Dutzend. Zufrieden schlägt er uns einen Spaziergang über den Friedhof vor. Er will uns das Grab einer der Mütter unserer Schützlinge zeigen. Sie ist nur einige tage zuvor an AIDS gestorben. Wir gehen also mit Itter und einigen seiner Freunde zu dem Grab, der noch nicht mal beschriftet worden ist und keine Initialen oder Datum enthält, von einem Bild ganz zu schweigen. Es gibt weder Blumen noch Kerzen, es gibt nichts. Wir stellen dort einige Lichter auf – für uns, für Ingrids Kinder und für diejenigen, die an sie denken. Danach führt uns Itter zu dem Stand seiner Familie. Seine Schwester gibt uns drei geschälte Orangen. Natürlich wollen wir für sie zahlen, da wir die Familiengeschichte kennen, doch wir hören ein klares und bestimmtes „No!“ - „Nein?“ frage ich „No, porque todos somos de una Fundación!” – zitiert er stolz die Worte des Liedes, das einer unserer Schützlinge für die Stiftung aufgenommen hat und beendet die Diskussion mit: „Nein, wir sind alle aus einer Stiftung!

                                                                                                                                       Inés

Was sind Reisen?






Eine Reise beginnt schließlich nicht erst in dem Moment, wo wir uns auf den Weg machen und hört nicht auf, wenn wir am ziel angekommen sind. In Wahrheit beginnt sie sehr viel früher und hört praktisch niemals auf, denn das Band der Erinnerung dreht sich in uns weiter, wenn wir auch uns physisch schon lange nicht mehr vom Fleck bewegen. Doch gibt es etwas wie die Ansteckung mit Reisen und das ist eine Art der Krankheit die man im Grunde nicht behandeln kann.“


                                                                                 Ryszard Kapuscinski - Meine Reisen mit Herodot:                                                                                     Reportagen aus aller Welt